19. Kapitel

Washington, D.C. 18. Februar

Bill Karns blickte sich aufmerksam auf der Straße um, während er zurück zu seinem Haus ging, das er in Southeast Washington gemietet hatte. Es lag fast vier Blocks entfernt von dem Lebensmittelladen, bei dessen koreanischen Inhabern er immer einkaufte, seit er vor einigen Monaten hierher gezogen war.

Der Tag war kalt, und ein kräftiger Wind fegte an den dichten Reihen der verfallenden Häuser vorbei. Einst hatten in dieser Gegend einige der wohlhabenderen Familien Washingtons gelebt, doch längst waren die Gebäude heruntergekommen, und junge Männer mit Sprühdosen hatten ihnen die letzten Reste ihrer einstigen Würde genommen.

Alle Häuser in seinem Block besaßen kleine runde Türmchen und erinnerten ein wenig an russische Bauwerke. Die großen Fenster waren meist mit Brettern vernagelt, die man entweder mit Farbe beschmiert oder inzwischen zerfetzten Werbeplakaten beklebt hatte, die laut knatterten, als der Wind über sie hinwegfegte. Alle paar Minuten wurde ein Papierstück losgerissen und trieb die Straße hinunter.

Karns blickte sich noch einmal um und bog dann rechts ab.

Mit der freien Hand zog er einen Schlüsselbund aus seiner Tasche und schloss auf.

Im Innern war das Haus noch verkommener. Der Hartholzboden war schon vor langer Zeit herausgerissen und in eine bessere Gegend transportiert worden, die Wände waren bedeckt mit Graffiti, und ringsum zog sich ein verfärbter Streifen, wo man die teuren Zierleisten entfernt hatte.

In der Küche stellte er seine Einkäufe neben einem kleinen Kühlschrank ab, der sich ein orangefarbenes Verlängerungskabel mit einer Kochplatte teilte. Seine Einkäufe bestanden aus einem Zwölferpack Bier, drei Dosen Chili, einer Schachtel Velveeta und zwei Tüten Tortillachips. Er verstaute alles im Kühlschrank und behielt nur ein Bier draußen.

Seit John Hobart ihm bei ihrem Treffen in seiner Jagdhütte Washington zugeteilt hatte, lebte er nun schon hier in diesem Haus, das in einem ›umstrittenen‹ Gebiet lag. In nördlicher Richtung wohnten ausschließlich Farbige, im unmittelbaren Süden nur Latinos, doch weiter südlich galt es als ›aufstrebende‹ Gegend. Weiße Yuppies kauften dort zunehmend die relativ billigen Häuser, renovierten sie und sicherten sie mit Fenstergittern und supermodernen Alarmanlagen.

Der erste Monat war mühsam gewesen. Weder die Schwarzen noch die Latinos waren bereit gewesen, einen fünfzigjährigen Weißen mit Südstaatenakzent in ihrer Mitte zu akzeptieren. Indem er erstklassige Produkte zu Preisen anbot, die unter dem marktüblichen Niveau lagen, hatte er sich beharrlich seine Position erobert. Er war stets fair, hatte immer Ware zu verkaufen, und schließlich hatten viele der kleinen Dealer widerstrebend eingelenkt. Wirtschaftlicher Profit war, wie es schien, wichtiger als Rassenstolz.

Natürlich hatte es Probleme gegeben, hauptsächlich mit den Dealern, die er verdrängt hatte. Die sich am lautstärksten widersetzt hatten und vermutlich auch die gewalttätigsten gewesen waren, hatte er mit einer Kugel zum Schweigen gebracht. Daraufhin hatte sich vorerst der Widerstand gelegt. Ihre Konkurrenten hatten die verwaisten Bezirke übernommen und schienen gemerkt zu haben, dass sie mit Karns besser dran waren als mit ihren unberechenbaren Freunden. Nun herrschte ein mehr oder weniger wackeliger Friede.

Seit Wochen hatte er kein Wort mehr von Hobart gehört und wurde allmählich ungeduldig. Im Moment war er nur einer von vielen Drogendealern und vergrößerte das Problem noch, das sie eigentlich ausrotten wollten.

Er setzte sich auf den Boden, öffnete eine Dose Chili und schüttete es in einen dreckigen Kochtopf. Mit seinem Taschenmesser schnitt er ein großzügiges Stück Käse ab und warf es dazu. Während er gelegentlich umrührte, wenn es zu brodeln begann, trank er sein Bier aus und nahm sich aus dem Kühlschrank ein neues.

Er schaute gerade in den Topf, ob der Käse schon geschmolzen war, als die Türglocke schrillte, die er bei seinem Einzug installiert hatte. Sie war laut genug, dass man sie überall im Haus hören konnte.

Karns zog seine 9-mm-Pistole aus dem Halfter und lud sie, ehe er die Waffe wieder in den Halfter unter seinem Arm steckte. Leise ging er zur Haustür und spähte durch ein Guckloch, das in die Wand gebohrt war. In der Tür war zwar ein Spion, aber er diente nur zur Ablenkung. Wenn man dort hindurchschaute, bestand die gute Chance, eine Kugel ins Auge zu bekommen.

Es dauerte einen Moment, bis er den jungen Farbigen auf der Veranda erkannte. Er wurde Tek genannt und hatte sich nach dem Maßstab der Drogendealer ziemlich weit aus seinem Territorium hinausgewagt. Karns blickte aus dem Fenster und sah einen zweiten zappeligen Jugendlichen, der auf dem Bürgersteig Wache schob. Er hatte gehört, dass Teks Lieferant, also quasi sein Kollege, vor ein paar Nächten hochgenommen worden war und Tek Mühe habe, einen neuen zu finden. Außerdem hieß es, dass so mancher sehr daran interessiert sei, Teks Bezirk zu übernehmen.

Karns öffnete die Tür einen Spalt und trat zur Seite, wobei er darauf achtete, dass der junge Mann auf dem Bürgersteig ihn nicht sehen konnte. Tek verstand die offene Tür als Einladung und trat ein.

»Mach hinter dir zu. Bist ziemlich weit weg von daheim, nicht wahr, Tek?«

Der junge Mann blickte sich nervös um und versuchte, in die Küche zu schauen. »Und?«

»Wie ich höre, hast du’s derzeit schwer, Zeug zu beschaffen – und einige Leute sollen dir ja ziemlich auf den Pelz rücken.«

Tek funkelte ihn wütend an und grinste gehässig.

Karns blieb gelassen. Seiner Erfahrung nach konnte keiner der hiesigen Dealer auch nur eine Scheunenwand auf zehn Schritt treffen, wahrscheinlich nicht mal mit einer Panzerhaubitze. Er traute sich ohne weiteres zu, dass er mit seiner 9-mm-Pistole und genügend Munition frei und offen die Straße hinunter spazieren und einen nach dem anderen umlegen könnte, ohne selbst einen Kratzer abzubekommen. Vermutlich würden sie sich bei einer Schießerei höchstens gegenseitig abknallen. Falls dieser kleine Nigger eine Waffe ziehen würde, hätte er eine Kugel im Kopf, ehe seine Hand auch nur den Pistolengriff erreicht hatte.

»Dachte, du hättest vielleicht was zu verkaufen.«

Karns nickte nachdenklich. Seiner unbewegten Miene war nicht anzumerken, welche Gedanken ihm durch den Sinn gingen. »Vielleicht. Was brauchst du?«

»Crack, Mann.«

Karns nickte erneut.

»Ich hab aber keine Lust, in diese Scheiße mit reingezogen zu werden, in der du steckst. Weiß jemand, dass du hier bist – abgesehen von deinem Begleiter?«

Tek schüttelte den Kopf, und Karns glaubte ihm. Auf gar keinen Fall würde er wollen, dass seine Konkurrenten davon Wind bekamen, falls er einen neuen Lieferanten fand. Außerdem waren Tek und sein Freund – Twan hieß er, wenn er sich richtig erinnerte – selbst eifrige Crackraucher, wie jeder wusste. Eine solche Gelegenheit musste er nutzen, Hobart hin oder her.

»Wie viel brauchst du?«

»Ich hab einen Riesen.«

»Lass sehen.«

Tek griff langsam in seine Tasche. Karns beobachtete jede Bewegung angespannt, obwohl er wusste, dass die Jackentasche zu klein war, um eine Tec-9 zu beherbergen – die einzige Waffe, die der junge Mann angeblich benutzte. Tek zog ein Geldbündel heraus.

Karns deutete auf einen alten Plastikstuhl in der Ecke des Raums. »Setz dich. Ich bin sofort wieder da.«

Er eilte durch die Küche, wo er für einen Moment stehen blieb, um die Herdplatte mit dem Chili abzuschalten, das anfing überzukochen. Im hinteren Bereich der Küche war eine neue massive Metalltür, die in einen fensterlosen Keller führte. Der perfekte Platz, um Waren zu lagern und eine fast uneinnehmbare Festung, in die man sich zurückziehen konnte, falls es einmal nötig sein sollte.

Nur eine Schreibtischlampe, die auf einem kleinen Tisch stand, spendete etwas Licht. An eine Backsteinwand war mit langen rostigen Nägeln ein Regal befestigt, auf dem mindestens zwanzig Schuhschachteln lagen.

Karns zog drei bestimmte Schachteln nach vorn und tastete in den Spinnweben dahinter, bis seine Finger auf bröckeligen Backstein trafen. Ein Stück weiter nach rechts stieß er auf eine weitere Schachtel. Diese war von den anderen nur durch den roten Aufkleber zu unterscheiden, der auf allen anderen blau war.

Karns nahm den Deckel ab und warf kleine Ampullen in den staubigen Turnbeutel, der zu seinen Füßen lag. Prüfend hob er den Beutel hoch und warf ein paar weitere Ampullen hinein. Dann zog er den Reißverschluss zu und ging wieder die Treppe hinauf nach oben.

»So, bitte sehr«, sagte er und reichte ihn Tek, der bei Karns plötzlichem Erscheinen erschrocken von seinem Stuhl aufgesprungen war. Er öffnete den Beutel und schaute hinein. Das Misstrauen verschwand von seinem Gesicht.

Tek drückte ihm das Bündel Scheine in die Hand und zog den Beutel wieder zu. Karns beschloss, ihm eine Chance zu geben. Höchstwahrscheinlich würde Tek zu seinen Kunden eilen, sie beliefern und dann daheim die Ware selbst probieren. »Übrigens hab ich das Zeug noch nicht getestet. Ich arbeite jetzt nämlich mit einem neuen Lieferanten.«

Tek schaute auf.

»Es dürfte aber mindestens so gut sein wie das, was ich früher hatte – sag mir gelegentlich Bescheid, was du meinst.«

Tek hängte sich den Beutel über die Schulter, machte jedoch keine Anstalten zu gehen. Es sah aus, als wolle er etwas sagen.

Karns wusste genau, was ihm durch den Kopf ging. In Washington hatte es weit weniger Todesfälle durch vergiftete Drogen gegeben, als man hätte vermuten können – oder sogar viele offenbar gehofft hatten. Trotzdem war der Tod noch immer allgegenwärtig – in sämtlichen Wohnzimmern, vierundzwanzig Stunden am Tag, in grellen Farben und mit Stereo-Ton.

Die Reaktion der Farbigen auf diese Gefahr war erstaunlich gewesen. Die meisten vertraten die Theorie, dass hinter dieser ganzen Sache die weiße Regierung steckte, die auf diese Weise die farbige Bevölkerung auslöschen wollte. In diesem Fall wäre es eigentlich am vernünftigsten gewesen, die Finger von Drogen zu lassen und dadurch das Komplott der Regierung zu vereiteln. Doch genau das Gegenteil war passiert. Für junge Schwarze gehörte es sich, den starken Mann zu markieren, auch wenn es oft genug ihr Verderben gewesen war, und nach ihrer verqueren Logik glaubten sie, es wäre ein Eingeständnis der Angst und ein Sieg der verhassten Weißen, wenn sie auf Koks verzichteten. Soweit er es beurteilen konnte, war der Gebrauch von Kokain unter den Farbigen in Southeast Washington überhaupt nicht zurückgegangen. Er wusste sogar von mindestens einer Gang, die neue Mitglieder bei ihrem Aufnahmeritual angeblich vergiftetes Crack hatte rauchen lassen. Wie sich herausgestellt hatte, war es zwar in Ordnung gewesen, aber das hatten sie vorher nicht wissen können.

»Was ist – hast du Angst, es könnte dreckig sein?«, fragte Karns. Dieser Ausdruck hatte sich für vergiftetes Koks eingebürgert. Tek reagierte genau wie erwartet.

»Ich? Ich hab vor dem Scheiß keine Angst, du Idiot.« Er riss die Tür auf und ging rückwärts nach draußen, wobei er Karns im Blick behielt, der ihm mit verschränkten Armen nachschaute.

Tek trabte mit seinem Freund die Straße hinauf. Spielerisch rempelten sie einander an und schienen den kräftigen Wind gar nicht zu bemerken. Karns staunte darüber, wie jung und lebendig sie wirkten. Das Bild der beiden jungen Männer, die tot auf einem schmutzigen Teppich neben einer rauchenden Crackpfeife lagen, stieg in ihm auf, und er grinste.

»Du warst aber ziemlich lange da drin«, keuchte Twan. »Haste ihm einen geblasen?« Er grinste boshaft.

»Arschloch«, erwiderte Tek mit gespieltem Ärger und wollte ihm einen Schlag an den Kopf versetzen. Sein Freund konnte gerade noch ausweichen.

In der Tasche, die Tek über der Schulter hängen hatte, klirrten verführerisch die Ampullen.

»Lass uns bei mir vorbeigehen und ein bisschen was rauchen«, schlug Twan vor. Er hatte vor zwei Tagen seinen Vorrat verbraucht und gierte nach einer Pfeife.

»Nichts da – erst das Geschäft.« Sie verlangsamten ihr Tempo, und Twan hielt sich keuchend die Seiten.

Ihr erster Halt war ein dreistöckiger Wohnkomplex, der wie eine riesige Schachtel aus Ziegelsteinen zwischen den benachbarten Häusern wirkte. Mitte der siebziger Jahre war das weiß verputzte Gebäude im Rahmen der Stadtsanierung als Vorzeigeobjekt errichtet worden. Der Bürgermeister persönlich hatte es damals feierlich eingeweiht und von einer neuen Zeit für die sozial schwachen Mitbürger gesprochen, ehe er zu dringenderen Angelegenheiten davongeeilt war.

Der Verputz war im Lauf der Jahre abgebröckelt, und die Hoffnungen der Bewohner waren längst verflogen. Anfang der achtziger Jahre war ein junges Mädchen über das Metallgeländer geklettert, das die Gänge säumte, die außen an den Wohnungen vorbeiführten, und hatte sich durch einen Sprung in die Tiefe das Leben genommen.

Daraufhin hatte die Stadtverwaltung die gesamte Vorderfront des Gebäudes mit Maschendraht überzogen. Die Leute hatten gewitzelt, dass die Bullen nicht zufrieden damit seien, die Bewohner in den Knast zu stecken, jetzt wollten sie gleich das ganze Gebäude einsperren. Aber man hatte es hingenommen und resigniert.

Die beiden jungen Männer gingen rasch über den asphaltierten Spielplatz auf die schweren Eingangstüren zu. Eine davon ließ sich nicht mehr richtig schließen, da das Holz brüchig geworden war und sich Risse gebildet hatten.

Im Inneren war es deswegen nicht viel wärmer als draußen, doch als sie die Treppe hinaufstiegen, wurde die Luft stickiger, und man hörte die üblichen Geräusche wie in jedem Mietshaus – Babygeschrei, zankende Stimmen, einen Fernseher, den eine alte Frau laut genug gestellt hatte, um was zu hören.

Die Nummern an den Türen der einzelnen Wohnungen waren schon lange abgerissen worden – das Werk zerstörungslustiger Jugendlicher, die auch den Glühbirnen längst den Garaus gemacht hatten. Tek kannte das Gebäude jedoch gut genug, um sich im Dunkeln zurechtzufinden. Das war eine Grundvoraussetzung für seinen Job.

Er klopfte energisch an die Tür seines ersten Kunden. Twan stand ein paar Schritte hinter ihm und behielt die dunkle Treppe im Blick. Die rechte Hand hatte er lässig unter sein Sweatshirt geschoben.

Mark Beamon lehnte sich zurück und wartete, dass der Zigarettenanzünder heraussprang. Die Straße erschien ihm unnatürlich still und dunkel, und die ganze Umgebung wirkte wie ein altes Schwarzweißfoto. Das einzig Lebendige war sein blasses Spiegelbild in der Windschutzscheibe.

Dieser verfluchte Tom Sherman, dachte er und tippte ungeduldig auf den Zigarettenanzünder, als könne er dadurch das Aufheizen beschleunigen. Eigentlich sollte er jetzt in seinem geborgten Haus in Capitol Hill gemütlich und leicht angesäuselt vor dem Fernseher sitzen; stattdessen versteckte er sich mitten im Niemandsland von Washington in seinem Wagen.

Ein Klicken kam vom Armaturenbrett. Endlich! Er brauchte dringend eine Dosis Nikotin. Er schaute dem Rauch hinterher, der durch das dunkle Wageninnere trieb, um sich irgendwie abzulenken und nicht an das denken zu müssen, was ihn gleich erwartete.

Vor weniger als einer Stunde waren mehrere schwere Vergiftungen gemeldet worden, nur ein paar Meilen vom J.-Edgar-Hoover-Gebäude entfernt. Kurz darauf war Sherman ins SIOC gestürmt.

Beamon hatte sich nach Kräften gesträubt. Er hatte behauptet, dass er in Papierkram ersticke und anklingen lassen, es gäbe wichtige Spuren, die er verfolgen müsse. Doch es hatte ihm nichts genutzt. Sherman hatte wie immer geduldig zugehört und ihm dann ziemlich unmissverständlich gesagt, er solle sich endlich in Bewegung setzen. Es würde keinen besonders guten Eindruck machen, wenn sich bei einer solchen Geschichte, die praktisch vor ihrer Haustür passierte, niemand vom FBI sehen ließe.

Die Zigarette war fast bis zum Filter heruntergebrannt. Beamon nahm einen letzten tiefen Zug und warf die Kippe aus dem schmalen Spalt im Fenster. Dann schaltete er den Motor ein und fuhr los.

Als er aus der ruhigen Nebenstraße bog, schien er in eine andere Welt zu kommen, voll greller Lichter und hektischer Betriebsamkeit. Die Straßen, die zu einem hässlichen Klotz von einem Gebäude führten, waren mit gelbschwarz gestreiften Absperrungen blockiert. Überall drängten sich Menschen, von denen viele nur Bademäntel trugen, die sie hastig über ihre Schlafanzüge geworfen hatten. Die blitzenden Lichter der Streifenwagen und Feuerwehrautos wurden überstrahlt von kräftigen Scheinwerfern, wie Zirkusse und Gebrauchtwagenhändler sie einsetzten. Sie waren auf einem asphaltierten Spielplatz vor dem Wohnblock aufgestellt worden, damit die Rettungssanitäter sich um die Opfer kümmern konnten.

Die Beleuchtung verlieh dem Gebäude ein fast bösartiges Aussehen. Der Maschendrahtzaun, der seine Fassade bedeckte, wurde zu Zähnen und die Fenster zu leblosen Augen.

Beamon fuhr näher heran. Einige Gesprächsfetzen drangen an sein Ohr, und die Menschen machten ihm sichtlich verärgert Platz. Ungefähr fünfzehn Meter vor den Absperrungen kam er nicht mehr weiter, da die Menge zu dicht wurde. Beamon bog auf den Bürgersteig und stieg aus.

»Tut mir Leid, Sir. Hier dürfen Sie nicht durch«, sagte ein müder Polizist. In der Absperrung gab es eine Lücke, damit die Rettungswagen hinein und hinaus fahren konnten, und er verhinderte, dass sich dort Zuschauer hindurch drängelten, die begierig darauf waren, mehr zu sehen. Ständig lief er hin und her.

Beamon zog seinen Dienstausweis heraus und zeigte ihn unauffällig vor, als der Beamte wieder in seine Nähe kam. Er nickte nur wortlos.

Hinter der Absperrung herrschte noch schlimmerer Trubel. Unzählige Leute liefen hin und her und trugen alle möglichen Ausrüstungsgegenstände mit sich. Kinder – frisch verwaist – wurden wie Schafe in Gruppen zu den Feuerwehrwagen getrieben.

Unsicher ging er weiter und fühlte sich zunehmend idiotischer. Es gab nichts, was er hier tun konnte, außer sich sehen zu lassen. Aus den Augenwinkeln bemerkte er eine Gruppe, die wesentlich schwerer zu bändigen zu sein schien als die anderen. Drei Polizisten hatten Mühe, sie zurückzuhalten. Die Presse.

Beamon änderte seine Richtung ein wenig und nahm einen Weg zum Gebäude, bei dem er in knapp fünf Metern Entfernung an den lärmenden Reportern vorbeikommen würde. Damit dürfte Sherman wohl zufrieden sein.

Einer der Reporter erkannte ihn schon von weitem. Er rief ihm eine Frage zu und gab seinem Kameramann einen Wink. Die anderen wurden ebenfalls aufmerksam, und schon prasselten die Fragen auf ihn ein.

Er bedeutete ihnen nur mit einer unverbindliche Geste, dass er keinen Kommentar abgeben würde, und setzte langsam seinen Weg fort. Er fühlte sich allein und unbeteiligt.

Einige Schritte weiter sah er einen Reporter, dem es gelungen war, an den Absperrungen vorbeizukommen. Er hielt ein Kind am Arm fest, das sicher nicht älter als zwölf war, und versuchte, es zu interviewen. Vermutlich fragte er, wie es sich jetzt fühlte, da seine Eltern tot waren. Beamon dachte kurz daran, dem Kind zu helfen, überlegte es sich aber anders. Das war nicht seine Sache.

Je weiter er kam, desto schauriger wurde die Szenerie. Überall sah er grotesk verzerrte Menschen. Direkt vor ihm lag ein Mann auf einer weißen Trage. Er trug nur Boxershorts mit Herzmuster, und sein Gesicht schien alt und zerfurcht, aber dann bemerkte Beamon, dass das nur an den grellen Scheinwerfern lag. Sein Körper war straff und muskulös.

Eben noch hatte er relativ ruhig dagelegen, doch nun begann sich sein Rücken zu krümmen, als wolle er eine Brücke machen.

Beamon hatte zuerst gar nicht weiter darauf geachtet, da er endlich seine Runde durch das Gebäude drehen und wieder heimfahren wollte. Aber der Mann begann zu schreien, und sein Rücken wölbte sich immer stärker, sodass bald nur noch der Kopf und die Fersen Kontakt mit der Trage hatten.

Beamon war wie angewurzelt stehen geblieben. Gerade als er sicher war, er könne unter ihm durchkriechen, kippte der Mann auf das Pflaster. Seine Schreie verstummten, da ihm die Luft wegblieb, obwohl seine Lippen sich immer noch stumm bewegten. Und immer noch krümmte er sich wie von Sinnen. Beamon war aus seiner Trance aufgewacht, als der Mann umgefallen war, aber er hatte keine Ahnung, was er tun sollte. Angespannt wartete er darauf, das unvermeidliche Knacken zu hören, da er sicher war, dass jeden Moment das Rückgrat zerbrechen würde.

Doch schließlich sackte der Mann zusammen, und seine flatternden Augenlider schlossen sich, als er das Bewusstsein verlor.

Beamon packte einen Sanitäter, der zufällig in seiner Reichweite stand. »Was, zur Hölle, geht hier vor sich?« Er kannte die Symptome der Drogenvergiftung in- und auswendig, doch von so etwas hatte er noch nie gehört.

Der junge Sanitäter riss sich los und wollte schon davon rennen, als er ihn plötzlich erkannte. In den letzten Wochen war Beamon, ohne es zu wollen, der meistfotografierte Mann Amerikas geworden.

»Sieht aus wie ein anderes Gift«, sagte er schlicht.

»Welches?«

Er zuckte die Schultern. »Keine Ahnung. Hab jemanden sagen hören, es sei Strychnin – aber ich hab von Giften keine große Ahnung.«

Damit eilte er davon, und Beamon ging weiter auf das Gebäude zu. Er sah, dass die Fenster entweder geöffnet oder herausgebrochen worden waren. Die bösartigen Augen hatten sich in leere Höhlen verwandelt.

An der Treppe packte jemand seinen Arm. Ein Feuerwehrmann, der hier offenbar das Kommando hatte.

»Mr. Beamon? Ich bin Shannon Calloway.« Er streckte eine Hand aus. »Tut mir Leid, die Sache mit Ihrem Neffen.«

»Danke. Und nennen Sie mich Mark.« Beamon schüttelte ihm die Hand.

»Sie können nicht ohne Atemschutz reingehen.« Calloway deutete auf die Atemschutzmaske, die er sich aus dem Gesicht geschoben hatte. Ein Schlauch führte zu einem Presslufttank auf seinem Rücken.

»Ist da drin ein Feuer?« Beamon hatte bislang keinerlei Anzeichen von Rauch bemerkt.

»Nein – kein Feuer. Aber anscheinend ist das Gift im Crack gewesen. Es lagen ziemlich viele rauchende Pfeifen herum, und wir wollen keine Risiken eingehen.«

Beamon wich ein Stück zurück, als ein stämmiger Feuerwehrmann mit einem weiteren Opfer die Treppe heruntergerannt kam. Er würde auf gar keinen Fall eine solche Maske aufsetzen und damit durch diesen Backsteinfriedhof laufen, nur damit die Presse zufrieden war.

»Ich kann Ihnen eine besorgen …«, begann Calloway.

»Hier drin ist alles klar, Shannon«, unterbrach ihn ein Mann, der aus dem ersten Stock kam und den schweren Tank von seinem Rücken zog. »Die Luft ist in Ordnung.«

»Also dann«, sagte Calloway und deutete auf die dunkle Öffnung, wo einst die Eingangstüren gewesen waren. »Bitte einzutreten.«

Beamon brauchte einige Minuten, bis seine Augen sich an das Halbdunkel gewöhnt hatten. Durch das Gebäude hallten die Rufe der Rettungssanitäter und das Krachen von Äxten. Er blieb an der Treppe stehen und zwang sich, tief Atem zu holen, den er unbewusst angehalten hatte. Das Bild des verrenkten Sterbenden stand ihm unaufhörlich vor Augen.

Nachdem er sich ein wenig ruhiger fühlte, stieg er die Stufen hinauf und versuchte zur Ablenkung, die Graffiti an den Wänden zu entziffern. »Achtung!«, brüllte eine Stimme, und schwere Schritte kamen die Treppe hinunter. Zwei Feuerwehrleute schleppten auf einer Trage einen übergewichtigen Mann. Beide waren kräftige Burschen und hätten unter normalen Umständen sicher keinerlei Probleme gehabt. Doch hier herrschten keine normalen Umstände. Der Mann auf der Trage wurde von Krämpfen geschüttelt und stemmte sich gegen die Gurte, mit denen er festgeschnallt war, wodurch die Trage immer wieder gegen die Wände des schmalen Treppenhauses schlug. Beamon drückte sich flach an die Seite, aber es war schon zu spät. Die harte Kante der Trage rammte mit voller Wucht gegen seine Brust. Die Feuerwehrleute schienen es nicht zu bemerken oder zumindest nicht zur Kenntnis zu nehmen. Beamon rang für einen Moment vornübergebeugt nach Atem, bis der Schmerz in seiner Brust nachließ, dann ging er langsam weiter.

Er erreichte den ersten Stock. Beim Gang durch den Korridor fühlte er sich wie in einem ›Haus des Schreckens‹ auf einem billigen Jahrmarkt. Die Szenen hinter den offenen Türen schienen nur für ihn aufgeführt zu werden. Starre Leichen, Menschen in heftigen Zuckungen, weinende Kinder, dazwischen geschäftige Männer und Frauen in unterschiedlichen Uniformen – Feuerwehrleute, Sanitäter, Notärzte, Polizisten.

Schlagartig empfand er die ganze Last dieser Situation, und das Gefühl verstärkte noch den Schmerz in seiner Brust. Er entdeckte eine geschlossene Tür – die erste bislang –, auf die ein großes rotes X gesprüht worden war. Irgendwie passte es nicht zu den Graffiti an den Wänden, und er berührte es vorsichtig. Noch feucht.

Zwei weitere Feuerwehrmänner erschienen am Ende des Gangs und kamen auf ihn zugeeilt. Beamon sah, dass sich etwas unter dem weißen Laken auf der Trage bewegte. Er stemmte sich gegen die Tür, bis das Holz splitterte, und konnte gerade noch hineinschlüpfen, ehe sie ihn erreichten. Hastig schlug er die Tür zu.

Durch die dünnen Wände und das offene Fenster drangen immer noch Stimmen, aber er war dankbar, für einen Moment der wahnwitzigen Hektik entkommen zu sein.

Das einzige Licht kam von den Scheinwerfern unten vor dem Haus, die einen rechteckigen Strahl quer durch den Raum warfen. Staubflocken trieben in ihrem Licht, doch alles andere verbarg die Dunkelheit, und er nahm es nur nach und nach wahr.

Der Flur war nur ungefähr sechs Quadratmeter groß. Am anderen Ende war eine offene Küche. Geschirr stapelte sich im Waschbecken und auf den Arbeitsplatten, auf einem Resopaltisch stand eine Schachtel mit Frühstücksflocken und eine Schüssel. Im Wohnzimmer sah er ein Sofa und ein paar alte Stühle rings um einen hochmodernen Fernseher.

Auf dem Boden hinter dem Sofa entdeckte er eine Frau in einem geblümten Kleid. Sie lag auf der Seite, ihr Rücken war unnatürlich gekrümmt. Beamon ging langsam näher und betrachtete die Leiche. Ihre Augen starrten zu ihm auf.

Neben der Frau lag eine Crackpfeife aus Glas in einer Wasserpfütze. Wahrscheinlich stammte sie von den Feuerwehrleuten, die versucht hatten, die giftigen Dämpfe aus dem Gebäude zu treiben. Beamon schaute wieder auf die Frau. Ihr Gesicht schien ihn anzuklagen. Er ging in die Küche und kramte in den Schubladen. Es war schwer, in diesem Halbdunkel etwas zu erkennen, aber er wollte kein Licht einschalten. Die Frau auf dem Boden gehörte in die Dunkelheit.

Schließlich fand er, was er gesucht hatte – eine Schere. Er setzte sich an den Tisch und schob die Schale mit Frühstücksflocken zur Seite, zog eine Zigarette aus seiner Tasche, schnitt den Filter ab und entzündete sie mit einem billigen Plastikfeuerzeug. Tief sog er den Rauch in seine Lungen und genoss die dringend benötigte Dosis Nikotin.

Die Opferzahlen, die Laura ihm jeden Morgen auf den Schreibtisch legte, hatten ihn nie sonderlich berührt. Mit Zahlen konnte man umgehen. Sie konnten addiert, subtrahiert und multipliziert werden, aber sie konnten nicht bluten oder vor Schmerz schreien. Selbst die Fernsehberichte, die weitaus plastischer waren als Lauras Grafiken und Tabellen, waren nur Bilder. Kleine Pixel, die mit der Geschwindigkeit von Gedanken über einen elektronischen Schirm huschten.

Er nahm einen weiteren Zug von seiner gestutzten Zigarette und spürte die Augen der Frau in seinem Rücken.

Insgeheim hatte er sich manchmal gefragt, ob der CDFS nicht auf lange Sicht gesehen doch etwas Positives erreichte, aber in diesem Moment wurden solche Überlegungen belanglos, und alle Zweifel verschwanden. Sie töteten Menschen. Echte Menschen. Die Behauptung, dass durch einen Rückgang des Drogenkonsums Leben gerettet würden, und alle anderen Argumente für das CDFS erschienen ihm nur noch kalt und zynisch, als er auf die leblose Gestalt der Frau schaute.

Die Eingangstür der Wohnung wurde geöffnet, und Beamon winkte kurz. »FBI. Hier drin ist alles klar.«

»Mark?«

»Laura?«

Sie kam leise herein. In der Dunkelheit konnte er nur die Umrisse ihrer schlanken Gestalt erkennen und das ewig zurückgebundene Haar, als sie durch den Raum ging und sich neben ihn setzte. »Tom hat mir gesagt, dass Sie hier sind.« Sie griff nach seiner Hand. »Alles okay?«

Er schwieg und nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette.

»Ich dachte, Sie gestatten sich bei einem Fall keine persönlichen Empfindungen. Es zählen nur nackte Fakten. Haben Sie mir das nicht mal gesagt?«

Beamon deutete auf die tote Frau. »So aus der Nähe sind es keine nackten Fakten mehr.«

Laura stand auf, nahm eine Decke vom Sofa und breitete sie über der Leiche aus. Einen Moment lang verharrte sie schweigend und setzte sich dann wieder zu ihm.

»Wissen Sie, Laura, ich habe diesen Fall bloß angenommen, um mein Ego aufzupäppeln. Calahan hatte mich kaltgestellt, deshalb wollte ich ihm und der ganzen Welt zeigen, was ich doch für ein Teufelskerl bin. Tausende von Menschen sind tot, und ich habe nur an mich und meine gekränkte Eitelkeit gedacht.«

»Ach, Mark. Sie konnten doch nicht ahnen, dass dieser Fall derartige Ausmaße annehmen würde. Niemand konnte das.« Laura nahm die Zigarette aus seinem Mund und warf sie ins Waschbecken. »Man hat aus einem guten Grund Filter an diese Dinger gemacht, wissen Sie?«

»Ja, ich weiß.«

»Willst du wirklich mitkommen, Tony? Es macht mich richtig nervös, wenn du bei einer Lieferung dabei bist.«

Anthony DiPrizzio, der Kopf des DiPrizzio-Clans, nickte und strich seine Krawatte glatt. Ihm gefiel es auch nicht, aber die Zeiten hatten sich geändert. Das interventionsfreie Management, das seine Professoren in Wharton gepredigt hatten, bei dem man so viel wie möglich delegierte, war nicht länger angebracht. Nun hieß es, die Geschäfte persönlich in die Hand zu nehmen.

Es war eine halbe Stunde vor Mitternacht, und DiPrizzio saß mit Chris Panetti, einem alten und zuverlässigen Leibwächter, der schon für seinen Vater gearbeitet hatte, in dem kleinen Büro im zweiten Stock eines seiner vielen Lagerhäuser im Hafen von New York. Am anderen Ende des Raums saßen drei weitere Männer, die ebenfalls seit Jahren zu seinem Clan gehörten. Alle trugen ein Schulterhalfter um den kräftigen Oberkörper und verfolgten gebannt ein Footballspiel, das in einem winzigen Schwarzweißfernseher lief. DiPrizzio beobachtete das Spiel nur nebenbei. Er hatte nie verstanden, was daran so fesselnd war.

Endlich hörte man, wie unten im Lager das Tor geöffnet wurde. Die Männer am Fernseher standen auf und schalteten das Gerät ab. Panetti berührte das Halfter unter seinem Arm. »Ich kann dich wohl nicht überreden, von hier oben aus zuzusehen, Tony, oder?«

DiPrizzio schüttelte den Kopf, während er darauf lauschte, wie das Tor wieder geschlossen wurde. »Gehen wir.«

»Juan! Schön, Sie zu sehen.«

Der Mann, der vor dem rostigen Eiscreme-Lieferwagen stand, schaute ihm ein wenig beunruhigt entgegen. Seine beiden Begleiter schienen genauso überrascht.

»Mr. DiPrizzio … Was machen Sie denn hier?«

DiPrizzio ging auf sie zu und achtete darauf, nicht zu den Männern zu schauen, die sich wortlos rings um den Laster positionierten. »Ach, Sie wissen doch, wie es ist, Juan. Ab und an lässt man mich auch mal aus dem Büro raus.«

Juan gab keine Antwort und blieb wie angewurzelt stehen.

»Wollen Sie mir nicht zeigen, was Sie für uns haben?«

»Sicher, Mr. DiPrizzio, gewiss doch.«

Juan und seine Begleiter öffneten die Seitentür des Lasters und hoben mit einiger Mühe eine alte Holzkiste heraus, die aussah, als stamme sie aus Armeebeständen.

Juan nahm einen Schlüssel, der um seinen Hals hing, und schloss sie auf. Sie war bis obenhin gefüllt mit Kokain. Jeder Barren wog ein Kilo und war einzeln in Plastik verpackt.

DiPrizzio hatte inzwischen Handschuhe übergestreift. Er nahm einen Barren, schloss den Deckel und legte ihn auf die Kiste.

»Chris?«

Panetti reichte ihm ein Taschenmesser, mit dem er die Plastikhülle aufritzte.

»Es ist erstklassige Qualität, Mr. DiPrizzio«, versicherte Juan eifrig, »darauf haben Sie mein Wort.«

DiPrizzio musterte das herausquellende weiße Pulver. »Ich glaube es Ihnen gern, Juan, aber wissen Sie, was mir noch lieber wäre?«

Juan wurde sichtlich nervös, genauso wie seine Begleiter. Sie waren von nicht weniger als zwanzig Männern umringt.

»Nein, Mr. DiPrizzio. Aber wir tun alles, was Sie wollen.«

»Warum nehmen Sie dann nicht einfach eine kleine Kostprobe?«

Ein Ausdruck des Entsetzens huschte über das Gesicht des jungen Latinos.

»Würde ich gern, Mr. DiPrizzio, aber … wissen Sie, ich habe längst damit aufgehört. Ist mir nicht besonders bekommen.« Er tippte auf seine Nase, um zu verdeutlichen, was er meinte.

»Tun Sie es für mich, Juan. Nur dies eine Mal.«

Juan und seine beiden Begleiter wichen langsam zurück, und DiPrizzios Lächeln verschwand. »Ich bestehe darauf.« Wie aufs Stichwort entsicherten seine Männer ihre Waffen.

Die drei Latinos schauten sich bestürzt um.

»Das Zeug ist gut, Mr. DiPrizzio«, beteuerte Juan hastig. »Ich schwöre es. Ich würde nie versuchen, Ihnen giftigen Dreck zu verkaufen.«

»Das weiß ich, Juan. Es ist nur für meinen inneren Frieden.« Er schob ihm den Barren zu. Juan schien einen Moment lang unsicher, was er tun sollte. Seine Begleiter waren erstarrt.

Schließlich bückte er sich und pulte mit dem Finger eine winzige Menge Koks aus der Plastikfolie.

»Aber nein, seien Sie doch nicht so schüchtern. Greifen Sie ruhig zu«, sagte DiPrizzio.

Juan nahm etwas mehr Pulver. Er hob seine Hand an die Nase und inhalierte.

»Alles schön hochziehen … so ist es gut.«

DiPrizzio legte seinen Arm um den zitternden Mann. »Danke, Juan. Heute Nacht kann ich bestimmt gut schlafen.«

Juan gab keine Antwort, er wischte sich nur heftig die Nase ab.

»Wir werden mit diesem Zeug für eine Weile auskommen, Juan«, erklärte DiPrizzio und wandte sich zur Tür. »Kommen Sie in zwei Wochen zur gleichen Zeit wieder. Dann habe ich das Geld für Sie. Schicken Sie keinen Boten, ich gebe es nur Ihnen persönlich.«

»He! Wir haben geliefert«, protestierte einer von Juans Begleitern. »Ware gegen Geld, so war es ausgemacht.«

»Unsere Geschäftsbedingungen haben sich eben geändert«, entgegnete DiPrizzio mit einem Blick über die Schulter. »Ist das ein Problem?«

Der Mann schaute auf die Waffen, die auf ihn gerichtet waren. Er packte Juan, der immer noch wie benommen neben der Kiste stand, und zog ihn zum Laster.

Mark Beamon 01 - Der Auftrag
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